Es ist immer noch kaum zu fassen, was ich alles in den vergangenen Monaten erleben durfte. Als ich im September letzten Jahres in Stanford ankam, erfüllte sich ein Kindheitstraum: Die zuvor aus Bildern bekannten Orte wie der Palm Drive und die Memorial Church wurden plötzlich nicht nur Realität, sondern auch zu meinem neuen Alltag. Für die kommenden sechs Monate sollte ich in der Forschungsgruppe von Professor Mitra an meiner Masterarbeit im Bereich der Computerarchitektur arbeiten. Doch letztlich wurde diese Zeit weit mehr als das, worüber ich gerne im Folgenden berichten möchte.
In der Kurzversion: Es war wohl die aufregendste Zeit meines Lebens (bisher) – schon beginnend mit dem Gebäude, in dem ich nun forschen sollte: dem Gates Computer Science Building. Benannt nach eben jenem Bill Gates, war es zugleich der Geburtsort von Google, dessen Gründer hier ihren PhD begonnen hatten und mit der initialen Idee aufkamen. Wandert man weiter durch die Flure, trifft man auf viele Namen, die man sonst nur aus wissenschaftlichen Arbeiten kennt, und erlebt gleichzeitig spannende Forschung in der Entstehung. Hier versammeln sich die besten Köpfe der Welt, um an den entscheidenden Problemen von morgen zu arbeiten – und ich war plötzlich mittendrin.
Meine Forschungsarbeit drehte sich um die softwareseitige Optimierung von Multi-Chip-Systemen, die es ermöglichen, KI-Workloads auf Edge-Geräten wie Smartphones oder VR-Brillen auszuführen. Da neuronale Netze, wie sie aktuell in aller Munde sind, immer größer werden, passt ihr Speicherbedarf längst nicht mehr auf einen einzigen Chip. Selbst große Rechenzentren stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die Rechenleistung dieser Anwendungen zu stemmen. Die Lösung über externen Speicher wird zunehmend problematisch, da enorme Datenmengen kommuniziert werden müssen. Wenn also Milliarden von Parametern nicht mehr auf einen Chip passen, liegt die naheliegende Lösung darin, mehrere Chips miteinander zu verbinden. Genau hier setzt meine Forschung an, indem ich versuche, Operationen so energie- und zeiteffizient wie möglich auf bis zu hunderte Chips zu verteilen. Das wird zu einer äußerst komplexen Herausforderung, die in ihrer Berechnung ebenso anspruchsvoll wie faszinierend ist. Auf Basis meines entwickelten Programms ist es möglich, verschiedene Hardwarekonfigurationen zu testen oder die optimalen Anforderungen für das Chipdesign der Zukunft zu ermitteln. Umso spannender war es, meine Arbeit tatsächlich Unternehmen wie Samsung, Intel oder Nvidia vorzustellen und den direkten Einfluss der eigenen Forschung zu erleben – ein Gefühl großer Erfüllung. Diese enge Verzahnung mit der Industrie ermöglichte mir, Probleme in einem ganz anderen Maßstab wahrzunehmen und von allen Seiten Unterstützung zu erfahren.
Doch die Stimulation ging weit über das Forschungslabor hinaus – auch auf dem Sportplatz zeigte sich diese besondere Atmosphäre. Als Teil des Stanford Running Teams hörte man nicht selten Gespräche darüber, wie knapp die Olympia-Qualifikation verpasst wurde oder welcher Länderpokal gerade gewonnen wurde. Das war eine perfekte Reflexion all dessen, was man auf dem Campus erlebt: unglaublich talentierte Menschen, die in Wissenschaft, Industrie oder Unternehmertum gefördert werden. In all diesen Bereichen ist die Atmosphäre inspirierend – und man versucht, mitzuhalten. Was mir letztendlich tatsächlich gelang: Nach Wochen erstmals professionellen Trainings konnte ich mich für die National Finals in Pennsylvania qualifizieren und mit dem Team die Universität vertreten. Wenige Tage später durfte ich sogar den Stanford Präsidenten treffen, der uns beim Training begleitet hat.
Durch diese enge Verbindung mit den Namen der Universität entwickelt sich eine ganz neue Perspektive auf das Uni Leben, welches hier doch recht anders als in Deutschalnd verstanden wird. Oft fühlt es sich wie ein Urlaubsresort an – durch das ganzjährige gute Wetter, die sehr guten Wochenend-Brunch in der Mensa, mehrere Pools und Fitnessstudios sowie die kostenlosen Spiele der Sportteams in Stadionatmosphäre. Der Campus ist ein eigenes Ökosystem, das man kaum verlassen möchte. Doch direkt am Rand des Campus liegt bereits das sagenumwobene Silicon Valley, das all den Erzählungen voll gerecht wird. Umgeben von den führenden Technologieunternehmen und Investorenbüros unserer Zeit, wartet die Welt dort draußen auf einen – oder hat ihren Weg bereits in den Campus gefunden. Unternehmen wie Apple halten Vorlesungen, und ich hatte das Vergnügen, im Rahmen eines Fellowships regelmäßige Treffen mit Investoren und Gründern zu haben.
Wie nah und greifbar all das plötzlich erscheint, merkt man spätestens, wenn man mit Mark Zuckerberg beim Einkaufen ist oder mit einem autonom fahrenden Waymo durch San Francisco fährt – als wäre es das Normalste der Welt. Diese Entwicklungen in und über mein Fachgebiet hinaus fühlen sich an, als gäbe es nie eine spannendere Zeit, und kaum einen besseren Ort, all das mitzuerleben.
Doch auch mein Horizont konnte sich noch erweitern – durch klassisch amerikanische Erfahrungen wie Halloween, Thanksgiving oder die Wahlnacht im November, aber auch durch Reisen in den Norden von Washington State, um im Schnee zu campen, und wenige Wochen später im Dezember im Pazifik vor San Diego zu schwimmen. Es war mir eine große Freude, dieses vielfältige Land näher zu entdecken – bei weiteren Roadtrips durch Kalifornien und bei einem Wochenende in Philadelphia und Washington, zu dem ich als potentieller PhD-Kandidat eingeladen wurde. Dort konnte ich zusammen mit einem Trip nach Boston die amerikanische Nationalgeschichte hautnah erleben. Bis zu diesem Aufenthalt hatte ich Promotionsüberlegungen nicht wirklich aktiv verfolgt, aber die Erfahrung und Gespräche mit Forschern hier haben mir gezeigt, dass es eine spannende Richtungsentscheidung sein könnte.
Und doch wartet noch ein weiteres Abenteuer – quasi die andere Seite des Silicon Valley: In der kommenden Woche beginne ich ein Industriepraktikum, bei dem ich direkt im Chipdesign von KI-Chips mitwirken werde, die bereits von zahlreichen Kunden genutzt werden. Aus ursprünglich geplanten sechs Monaten wurden nun zehn Monate, die ich in vollen Zügen genossen und in denen ich gewachsen bin. Diese Erfahrung war unbeschreiblich – so sehr ich auch versuche, einen Eindruck davon zu vermitteln. Bald freue ich mich aber auch darauf, wieder nach München zu kommen und auf das Leben dort.
Für die großzügige Förderung durch den DAHC München e.V. bin ich sehr dankbar und freue mich darauf, bald vor Ort berichten zu können.
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